Noch neun Mahlzeiten bis zur Anarchie! – Eine Studie bringt zum Nachdenken
„Nine meals from anarchy“ war das Fazit einer britischen Studie aus dem Jahr 2007. Die Wissenschaftler hatten sich mit der Versorgung von Städten beschäftigt, die vom Umland durch Stürme, Überschwemmungen oder andere Vorfälle theoretisch abgeschnitten werden. Drei Tage würden problemlos verstreichen können – dann jedoch beginnen die Versorgungsengpässe erst richtig. Es verbleiben noch ein paar Konserven im Keller, bevor die Meute beginnt, zu rebellieren. Wie man eine solche Situation vorbeugen kann? Selbst anbauen! Bereits seit dem 19. Jahrhundert werden Lebensmittel sogar in der Stadt angebaut. Damals ging es besonders um schnell verderbliche Waren, für die kein angemessener Transport vorhanden war. Auf den Märkten erzielten sie hohe Preise, die den Anbau lohnenswert machten. Auch später in der Geschichte, zu Kriegszeiten, war der Urbane Gartenbau von großer Bedeutung. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, an jeder nur erdenklichen Stelle Nahrungsmittel anzubauen – so entstanden schnell zahlreiche sogenannte „Victory Gardens“. Heute gibt es zwar diesen Krieg nicht mehr, aber trotzdem weiter Bedarf zur Selbsversorgung – und besonders in Städten auch Bedarf nach Gemeinschaft.
Auch Frau Müller kann was lernen: interkulturelle Gärten
Frau Müller ist auf dem Land aufgewachsen, weiß, was Gärtnern bedeutet und wieviel Kalorien in ihrem Essen stecken. Was sie nicht weiß, ist, wo diese komischen Nachbarn eigentlich herkommen und warum die Frau immer ein Kopftuch trägt, wenn sie das Haus verlässt. Seltsam. Im interkulturellen Garten treffen sie sich nur zufällig, Frau Müller geht eigentlich nur mit ihrer Tochter in diesen Garten, weil sie nach dem Büro etwas Abwechslung braucht und die Kleine zuviel Energie hat. „Ich bin Cansu“, sagt die Nachbarin und lächelt ein bisschen. Frau Müller sagt „Heike, angenehm“ und lächelt nicht. Ihre kleine Tochter aber ist entzückt. Sie nimmt Cansu an die Hand und zerrt sie zu den Salatköpfen, die sie gießen will, klammert sich dann an ihr Bein wie ein Äffchen. Diesmal muss auch Frau Müller lächeln. Vielleicht fragt sie sie ja bald einmal nach diesem komischen Kopftuch.
Tausend Gründe für den Urbanen Gartenbau
Urbaner Gartenbau bringt nicht nur mehr Unabhängigkeit im Katastrophenfall, sondern auch viele soziale Aspekte: Man trifft sich, arbeitet zusammen, übernimmt Verantwortung. Durch sehr kurze Transportwege wird CO2 eingespart, das Ernährungsbewusstsein wächst bei Kindern und Erwachsenen zusammen mit dem Interesse, lokale Spezialitäten im Urbanen Garten anzubauen und zu erhalten. Die Erträge sind umwelt- und sozialverträglich entstanden und bringen beim Essen gleich ein gutes Gewissen mit auf den Tisch. Man darf aufatmen: Das städtische Mikroklima verbessert sich mit dem Urbanen Gartenbau und die Artenvielfalt in der Stadt, mit der es sonst katastrophal aussieht, kann endlich wieder ansteigen. Abfälle werden auf einmal kompostiert, statt nur im Restmüll zu landen. Kinder lernen, wieviel Arbeit eigentlich so im Essen steckt – der Weg von der Saat bis zum Teller dauert zwar immer noch lange, aber spart wenigstens viele Kilometer. Und vielleicht finden sich bei einer Einladung zum gemeinsamen Essen schließlich auch echte Freunde…
Text: mh