Tanz um die Midsommarstange (Anders Zorn, 1860-1920)

Wie bei einer Völkerwanderung geht es an Midsommar aufs Land

An Freitagen gegen Ende Juni sehen die schwedischen Städte jährlich wie während einer Katastrophe aus: Die Straßen leer, die Häuser verlassen, alles wirkt wie eine schnelle und ungeplante Flucht, auf die nicht viel mitgenommen werden konnte. Ein paar vereinzelte Menschen ziehen noch um die Häuser. Die Läden sind verschlossen und dunkel. Dabei ist alles nicht halb so schlimm, wie es zunächst aussieht: Es ist Midsommar!

Die Feierlichkeiten zum Midsommarfest finden traditionell auf dem Land statt. Auch wenn der Freitag (Mitsommerabend) kein gesetzlicher Feiertag ist, sondern erst der Samstag danach (Mittsommertag), haben die meisten Läden zu. Den Nachmittag verbringt man mit Vorbereitungen: Die Tische werden gedeckt, manchmal werden alte Trachten angelegt und besonders wichtig ist das Aufstellen der Midsommarstange, einem blättergeschmückten Pfahl, der in die Mitte eines Platzes gehört.

Tanzen, Trinken, Träumen: Midsommar ist eine berauschende Angelegenheit

Zum Midsommarabend ist ganz Schweden außer Rand und Band: Zum Lied „Små grodorna“ („Die kleinen Frösche“) hüpft Jung und Alt um die Midsommarstange und imitiert Frösche. Für Außenstehende sicher verstörend ist es für die Schweden ein wiederkehrendes Ritual, für das sich keiner zu schämen braucht. Auch zahlreiche andere Tänze kommen an die Reihe, bevor es ans Essen geht: Frühkartoffeln werden verspeist, begleitet von Hering, Knäckebrot, Käse, Sauerrahm und einer ordentlichen Portion Schnittlauch. Zum Nachtisch locken oft schwedische Erdbeeren mit Sahne.
Wer danach nicht mehr tanzen kann, genießt noch das ein oder anderen Schnäpschen („nubbe“), bevor er es sich wieder zutraut. Obwohl Alkohol in Schweden sehr teuer ist, endet die Midsommarnacht oft im Rausch – sei es nun vom Nubbe oder doch nur vom Tanz.

Blumen und das Midsommarfest – Eine besondere Partnerschaft

Midsommar in Åmmeberg

Blumen und Blätter umrahmen das ganze Midsommarfest und nehmen zeitweise sogar eine mystische Rolle ein. Blumenkränze werden am Freitag geflochten und den Mädchen aufgesetzt, die  um die Midsommarstange tanzen, welche ebenfalls ganz in Blätter und Blumen gekleidet ist. Heilkräuter und Morgentau, die nach dem Midsommarfest gesammelt werden, versprechen besondere Heilungskraft. Am schönsten aber ist die Aufgabe unverheirateter Mädchen in der Nacht auf den Samstag. Nach dem Tanz ziehen sie los, um im Stillen sieben verschiedene Wildblumen von sieben verschiedenen Wiesen zu pflücken. Danach, wenn der Strauß unter dem Kopfkissen liegt, träumen die Mädchen von dem, den sie später einmal heiraten werden – so heißt es jedenfalls in der Legende. Am Samstag, dem Mittsommertag, kehrt wieder Ruhe ins Land ein: Man schläft aus, räumt auf und nimmt die Städte wieder in Beschlag. Und das ein oder andere junge Mädchen grinst selig vor sich hin.

Text: mh