Die außergewöhnliche Blattform des Ginkgo biloba.

 

Ginkgos – die letzten ihrer Art

Würden auch Bäume Familienfeste veranstalten, hätte der Ginkgo wohl das ganze Festbankett für sich allein. Alle anderen der Gruppe „Ginkgoales“ sind nämlich leider bereits ausgestorben. Als einzig Überlebender behauptet hat sich der „Ginkgo biloba“, der sich heute als lebendes Fossil feiern darf. In der eigenartig schönen Form seiner Blätter, die im Herbst braun-golden werden und sich verabschieden, lassen sich sowohl Herz als auch Hirn ausmachen. Auch weist der Ginkgo beeindruckende Zahlen auf: Er wird 1000 Jahre alt und älter, 40 Meter hoch und höher und kann einen Stamm mit einem Durchmesser bis zu 4 Metern ausbilden. Heute existieren sogar Ginkgos, die auf die Zeit vor der Gründung Roms (753 v. Chr.) zurückdatieren. Zu verdanken haben wir den Ginkgo den niederländischen Seefahrern, die ihn aus Japan nach Europa mitgebracht haben.

Der Ginkgo ist nützlich und anspruchslos

Auch wenn er oft als Zierpflanze in Parks anzutreffen ist, ist seine praktische Seite nicht zu verachten. In China schätzt man seine geschälten Samen als Gewürz, in Japan verzehrt man die Kerne der Ginkgosamen als Glückssymbol beim Hochzeitsmahl oder gesalzen als Snack. Die traditionelle medizinische Nutzung verwendete Samen und Wurzeln unter Anderem gegen Husten, Asthma, Tuberkulose, Alkoholvergiftungen und Blähungen. In der modernen Medizin können aus dem Ginkgo biloba Extrakte gezogen werden, die bei der Therapie von Durchblutungsstörungen, Demenz, Schwindel oder Tinnitus eingesetzt werden.

Wer seinen eigenen Ginkgo im Garten haben will, muss nicht viel beachten. Am besten pflanzt man ihn im Frühjahr, wenn er bereits mindestens drei Jahre alt ist und bewahrt ihn bis dorthin frostgeschützt auf. Danach ist der Ginkgo für Frost, Hitze oder Schädlinge kaum noch anfällig. In den ersten Jahren lässt er sich beim Zurückschneiden noch etwas auslichten, wirklich nötig ist es aber nicht. Solange Staunässe vermieden und etwa alle drei Wochen ein Volldünger verwendet wird, fühlt sich der ansonsten anspruchslose Ginkgo biloba auch fernab der chinesischen Heimat pudelwohl. Wer keinen Garten, aber einen Balkon zur Verfügung hat, legt sich einfach einen Kugelginkgo zu, der eine Höhe von maximal zwei Metern erreicht.

Die Symbolik des Ginkgos: Mythen in Asien, Gedichte in Europa

Viele Mythen und Sagen ranken sich rund um das alte Gewächs. So findet sich der Ginkgo oft als Tempelbaum, unter dem Bauern für gute Ernte bitten. In zahlreichen Geschichten und Sagen im asiatischen Raum wird er als stärkend oder sogar als Wohnort von Geistern verehrt und gefürchtet.
Eine beeindruckende Geschichte ist die des Tempelbaums von Hiroshima. Bei dem verheerenden Atombombenabwurf am 6. August 1945 wurden durch die Explosion zahllose Gebäude entzündet und zerstört. Auch der Tempelbaum, ein Ginkgo biloba, brannte lichterloh. Noch im selben Jahr aber bildete er im noch völlig verwüsteten Hiroshima bereits neue, grüne Triebe aus. Kein Wunder also, das so ein Baum tausende Jahre alt wird.

Der Bekanntheitsgrad des Ginkgo in Deutschland und Europa geht vor allem auf einen Mann zurück: Johann Wolfgang von Goethe, der sich in der Zwiegespaltenheit der Blätter selbst wiederfand, was er in einem Gedicht ausdrückte. Goethes Werk „Gingo biloba“ ist absichtlich falsch geschrieben, um das harte „k“ auszusparen.

Gingo Biloba

Goethes Originalversion mit zwei eingeklebten Ginkgoblättern.

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut,

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

Text: mh