Die Blaue Blume im Deutschunterricht
Tiefgründig erforscht oder tot-analysiert?
Die Blaue Blume steht für den, der schon einmal von ihr gehört hat, unmissverständlich für die Romantik. Auch heute noch wird die Blaue Blume den Schülern in Deutschland gerne als typisch romantisches Symbol vorgestellt. Sie dürfen Referate dazu halten, Erörterungen darüber schreiben und Passagen analysieren, sobald das Thema Romantik in Deutsch an der Reihe ist. Die Ästhetik, wie sie in der Literatur oft vermittelt werden soll, steht dabei eher im Hintergrund. Dabei hat das Motiv der Blauen Blume, von Novalis eingeführt und dann von zahlreichen Poeten wieder aufgegriffen, eigentlich eine sehr schöne Bedeutung: Sie steht für Sehnsucht und Liebe, für das Streben nach dem Unendlichen. Gemeint ist damit der verlockende Ausblick auf nicht enden wollende blaugetupfte Felder, durch die man als einsamer Wanderer stapft. Kein Wunder, dass bei einem solchen Thema auch noch so viel Praxis nicht helfen kann, diese Schönheit begreifbar zu machen.
Novalis: Urheber der Blauen Blume
Geburt eines Symbols in „Heinrich von Ofterdingen“
Zuerst taucht die Blaue Blume im Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis auf. Den Jüngling Heinrich, der über die Wanderschaft nachdenkt, lockt vor allem der Gedanke, die Blaue Blume zu erblicken. Was damit gemeint ist, zeigt sich später im Traum, als er sie in einer Höhle tatsächlich findet. Von allen Blumen ringsumher zieht ihn diese am meisten an, ihr Duft erfüllt den Raum und er meint sogar, ein zartes Gesicht darin zu erkennen. Aus den Träumen gerissen wird er erst von der Stimme seiner Mutter, die nach ihm ruft.
Was Novalis jetzt tatsächlich damit gemeint hat, können wir heute nur noch erahnen. Sicher ist aber, dass sich das Symbol der Blauen Blume perfekt in die Romantik einfügt, ist sie doch mit der Natur verbunden, ästhetisch und verspricht Liebe und Wärme – also genau das, was die Romantiker meistens suchten.
Gibt es die Blaue Blume auch in der Wirklichkeit?
Wegwarte und Co.: Die Blaue Blume lebt!
Eine Blume, in der einem Gesichter erscheinen, gibt es wohl nur in der flügelstarken Fantasie. Novalis aber hatte beim Verfassen von „Heinrich von Ofterdingen“ tatsächlich ein reales Vorbild: Sonnenwenden. Später, als die Blaue Blume und ihre Bedeutung auch von anderen Künstlern wie Eichendorff und E.T.A. Hoffmann aufgegriffen wurde, kamen weitere Vorbilder hinzu. In unseren Breitengraden handelt es sich dabei vermutlich um die Wegwarte oder die leuchtende Kornblume.
Nicht mehr viele kennen heute die eigentliche Bedeutung der Blauen Blume, und wenn, dann wurde sie ihnen oft im Deutschunterricht verdorben. Vielleicht gibt es aber eine Zeit im Leben, in der man selber einmal mit dem Gedanken der Wanderschaft spielt. Dann packt man Novalis ein, oder einfach einen Reiseführer. Und wer weiß, wo man seine persönliche Blaue Blume am Ende findet.
Text: mh